Shibari
June 24, 2025

Binden lernen heißt zuhören lernen

Binden lernen heißt zuhören lernen

Binden lernen heißt zuhören lernen

Im Shibari geht es nicht nur ums Festhalten.
Es geht ums Spüren. Ums Lauschen. Um Berührung – auch ohne Hände.

Selbst der einfachste Knoten ist mehr als Technik.
Er ist ein Moment der Präsenz.
Eine sichtbare Geste des Vertrauens.
Ein geatmeter Dialog zwischen zwei Körpern.

Dieser Text ist kein technisches Handbuch.
Er ist eine Einladung:
Lerne die Grundlagen des Bindens – mit Intention, Achtsamkeit und Respekt.
Und entdecke, wie jeder Knoten nicht nur hält, sondern verbindet.

Die einspaltige Fessel – Die Geste des Anfangs

Jede Reise beginnt mit einer Umwicklung.

Die einspaltige Fessel („single column tie“) ist das Fundament vieler Shibari-Formen.
Sie bindet ein Handgelenk, einen Knöchel – eine einzelne Linie des Körpers – sicher und durchblutungsfreundlich.

Du lernst:

  • Gleichmäßiges, achtsames Wickeln
  • Sichere Spannung mit Friktion statt festen Knoten
  • Wie sich dein Seil respektvoll und präsent anfühlt

Symbolisch bedeutet sie:
„Ich sehe dich. Ich halte dich. Und ich tue das mit Sorgfalt.“

Die doppelte Spalte – Zwei Linien, ein Rhythmus

Wenn die einspaltige Fessel einen Teil bindet, bringt die doppelte zwei zusammen:
Zwei Handgelenke. Zwei Knöchel. Zwei Richtungen. Zwei Menschen.

Technisch lehrt sie:

  • Symmetrie und Gleichgewicht
  • Den richtigen Abstand zwischen den Gliedmaßen
  • Eine ausgewogene Spannung, die sicher hält

Doch sie sagt auch:
„Ich lade dich ein – nicht in Kontrolle, sondern in Verbindung.“
Zwei Enden. Eine Linie. Gemeinsamer Raum.

Friktionen – Die stille Architektur des Haltens

Ohne Friktion hält kein Seil.
Mit ihr entsteht Stabilität – oft ohne Knoten.
Sie ist das Unsichtbare, das trägt.

Du lernst:

  • Umkehrspannung zu nutzen
  • Wicklungen sicher zu verriegeln
  • Dich mit dem Körper zu bewegen, ohne den Kontakt zu verlieren

Friktionen sind wie Atemzüge:
Unauffällig, aber unverzichtbar.
Still. Kraftvoll. Präzise.

Sicherheit: Die Anatomie des Vertrauens

Shibari ist ohne Wissen um Sicherheit nicht verantwortbar.
Denn du bindest keinen Gegenstand – du hältst einen Menschen.

Was du immer beachten solltest:

  • Keine Fesseln über empfindliche Nervenbahnen (z. B. Radialnerv, Innenschenkel)
  • Regelmäßige Kontrolle der Durchblutung: warme Haut, Beweglichkeit, Sensibilität
  • Niemand bleibt unbeaufsichtigt im Seil
  • Halte immer ein Schneidewerkzeug bereit

Sicherheit ist keine Einschränkung – sie ist die Basis für Tiefe.
Nur wer sich sicher fühlt, kann sich hingeben.

Was du wirklich lernst

Du lernst nicht nur Knoten.
Du lernst zu spüren.
Langsamer zu werden.
Anwesenheit zu kultivieren.

  • Du lernst, mit deinen Händen zuzuhören
  • Spannung und Entspannung zu unterscheiden
  • Den Atem des anderen zu spüren
  • Schönheit in Achtsamkeit zu gestalten
  • Den Körper wie einen Altar zu behandeln – mit Respekt, nicht mit Eile

Selbst in der Einfachheit liegt eine Zeremonie.

Deine ersten Schritte

Wenn du beginnst, beginne klein. Übe nicht, um zu beeindrucken – sondern um zu verbinden.

Empfohlene Basics:

  • Einspaltige Fessel
  • Doppelte Fessel
  • Halbe Friktion
  • Lerchenkopfknoten
  • Einfache Schlaufen

Mit jedem Knoten übst du nicht nur Technik – du bereitest dich darauf vor, jemandem so zu begegnen, wie er oder sie gehalten werden möchte.

Binden als Ritual

Binde langsam.
Berühre mit dem Atem.
Lass das Seil mehr sagen als dein Verstand.

Shibari ist keine Darbietung.
Es ist gelebte Achtsamkeit.
Poesie in Spannung.
Verbindung im Augenblick.

Du lernst, Kraft mit Achtung auszuüben – und Hingabe als Geschenk anzubieten.

Komm, tritt ein in den heiligen Tanz der Kapitulation.

Dies ist eine Einladung an alle, die sich danach sehnen, mehr zu fühlen, tiefer zu vertrauen und sich selbst neu zu begegnen.