Mindfulness
July 20, 2025

Zustimmung im BDSM – fünf Modelle für mehr Sicherheit, Klarheit und Vertrauen

Erkunden Sie 5 Rahmenwerke zur verkörperten Einwilligung in BDSM von FRIES bis zum Dreieck und warum Einwilligung niemals nur „Ja“ oder „Nein“ ist.

Zustimmung im BDSM – fünf Modelle für mehr Sicherheit, Klarheit und Vertrauen

Zustimmung im BDSM – fünf Modelle für mehr Sicherheit, Klarheit und Vertrauen

Zustimmung ist das Fundament jeder gesunden BDSM-Praxis.
Aber sie ist selten so einfach, wie ein „Ja“ vermuten lässt.

Zustimmung ist kein Vertrag.
Sie ist ein Prozess – beeinflusst von Erfahrung, Machtverhältnissen, Sprache und innerem Zustand.
Sie erfordert Offenheit, Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, immer wieder zu fragen und zuzuhören.

Dieser Text stellt dir fünf Modelle vor, die helfen können, die eigene Praxis bewusster und sicherer zu gestalten.
Sie sind keine Regeln, sondern Werkzeuge: zur Reflexion, zur Kommunikation, zur Fürsorge.

1. Das Dreieck der Zustimmung (Crystal Farmer)

Zustimmung entsteht im Zusammenspiel von:

  • Handlungsfreiheit (Agency): Können alle Beteiligten frei entscheiden? Gibt es äußeren Druck oder emotionale Abhängigkeiten?
  • Machtverhältnisse (Power): Welche Rolle spielen Hierarchien – z. B. Erfahrung, Status, Geschlecht, Abhängigkeit?
  • Kommunikation: Werden Bedürfnisse und Grenzen klar ausgedrückt? Gibt es Raum für Rückfragen, Unsicherheit und Änderung?

Beispiel:
Vor einer Bondage-Szene fragt der Rigger:
„Wie fühlst du dich heute? Genug Ruhe, genug Kapazität?“
Und ergänzt:
„Du kannst jederzeit Stopp sagen. Dein Nein gilt – zu jedem Zeitpunkt.“

2. Die vier Säulen des BDSM: Grenzen – Wunsch – Sicherheit – Bedeutung

Dieses praxisnahe Modell stammt aus der Community:

  • Grenzen: Was geht nicht? (z. B. „kein Seil am Hals“)
  • Wunsch: Was willst du erleben? (z. B. „Umhüllt und gehalten sein“)
  • Sicherheit: Was brauchst du, um dich sicher zu fühlen? (z. B. Safeword, Nachsorge)
  • Bedeutung: Warum willst du diese Erfahrung machen? Was soll sie dir geben?

Beispiel:
„Heute Abend keine Hängung. Ich sehne mich nach Nähe und Präsenz. Lass uns langsam beginnen – mit klaren Zeichen.“

3. FRIES – das Modell aus der Sexualpädagogik

FRIES steht für:

  • Freigegeben – ohne Druck oder Manipulation
  • Revidierbar – Zustimmung kann jederzeit zurückgezogen werden
  • Informiert – Risiken und Inhalte sind bekannt
  • Enthusiastisch – nur echtes Interesse zählt
  • Spezifisch – Ein „Ja“ zu einer Sache heißt nicht „Ja“ zu allem

Beispiel:
„Du hast letztes Mal Ja zum Spanking gesagt. Ich würde heute gerne Wachs ausprobieren. Wäre das okay für dich?“

4. Die 4 Cs: Care – Communication – Consent – Caution

Ein emotional orientiertes Modell, ideal für längerfristige Dynamiken oder sensible Kontexte:

  • Care: Achtsamkeit für das emotionale Befinden vor, während und nach der Szene
  • Communication: Ehrlicher, offener Austausch
  • Consent: Explizit, kontinuierlich, jederzeit widerrufbar
  • Caution: Vorsicht – besonders bei neuen Partnern oder unsicheren Themen

Beispiel für Nachsorge:
„Gab es einen Moment, der sich für dich nicht stimmig angefühlt hat? Ich möchte verstehen, was in dir vorgeht.“

5. Das Ampelsystem: Grün – Gelb – Rot

Ein einfaches und sehr bewährtes Modell:

  • Grün: „Mir geht’s gut, bitte weitermachen.“
  • Gelb: „Bitte langsamer oder vorsichtiger – ich bin unsicher.“
  • Rot: „Stopp. Ich möchte die Szene sofort beenden.“

Beispiel:
Beim Spanking flüstert der Sub „Gelb“. Die Top checkt sofort ein, verlangsamt den Rhythmus, stellt eine Frage. Das Vertrauen wächst.

Warum Einwilligung komplex – und so zentral – ist

1. Kontext entscheidet

Ein „Ja“ kann ehrlich gemeint sein – und trotzdem aus einem unsicheren inneren Zustand kommen.
Manche Menschen haben gelernt, aus Angst oder Gefallenwollen zuzustimmen. Deshalb ist es so wichtig, über das Nervensystem hinaus zu fragen.

2. Macht ist nicht immer sichtbar

Auch in gleichberechtigt geplanten Szenen wirken Machtstrukturen – etwa emotionale Abhängigkeit, Rollenerwartungen oder frühere Erfahrungen.
Diese Dynamiken ernst zu nehmen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.

3. Es gibt keine perfekte Zustimmung

Der Ethiker Quill Kukla schlägt eine realistische Perspektive vor:
Zustimmung ist nie vollständig „rein“. Entscheidend ist nicht Perfektion, sondern Offenheit – und der Wille, mit Verantwortung zu handeln, auch wenn etwas schiefläuft.

4. Zustimmung ist ein Prozess

Wünsche ändern sich. Körper ändern sich. Vertrauen wächst oder schrumpft.
Zustimmung ist kein einmaliges Häkchen – sondern eine Beziehung, die gepflegt werden will.

Fazit: Ein Gespräch, das nie aufhört

Zustimmung im BDSM ist keine Formalie.
Sie ist gelebte Fürsorge.

Sie beginnt mit Fragen – und bleibt ein fortlaufender Dialog.
Modelle wie FRIES oder das Ampelsystem sind hilfreiche Werkzeuge. Aber sie ersetzen nicht das Zuhören. Nicht die Bereitschaft, Unsicherheit zuzulassen. Nicht die Demut, Fehler einzugestehen.

Zustimmung ist: Präsenz. Vertrauen. Verantwortung.
Und vielleicht das kraftvollste Geschenk, das wir uns gegenseitig machen können.

Komm, tritt ein in den heiligen Tanz der Kapitulation.

Dies ist eine Einladung an alle, die sich danach sehnen, mehr zu fühlen, tiefer zu vertrauen und sich selbst neu zu begegnen.